Geschichts-Kaffee – Zonengrenze Wahrenberg an der Elbe

Die Elbe im schönen Storchendorf Wahrenberg ist ein malerischer Anblick – bis vor 30 Jahren war sie jedoch eine oft tödliche Zonengrenze. Heute zieht sich entlang des innerdeutschen Sperrgebiets der größte Biotop-Verbund Deutschlands, das Grüne Band, das Gedenkorte und Naturerlebnisse, aber auch Menschen miteinander verbindet.

Wie lebte es sich direkt an der Zonengrenze? Hier dokumentieren wir das “Geschichts-Kaffee” und den Austausch mit Zeitzeug*innen aus der Region!

Am Elbdeich

Die Elbe im schönen Storchendorf Wahrenberg ist ein malerischer Anblick – bis vor 30 Jahren war sie jedoch eine oft tödliche Zonengrenze. Heute zieht sich entlang des innerdeutschen Sperrgebiets der größte Biotop-Verbund Deutschlands, das Grüne Band, das Gedenkorte und Naturerlebnisse, aber auch Menschen miteinander verbindet.

Gemeinsam mit dem Elbehof und dem Café ANNE~ELBE haben wir am 13. Juli 2019 zu einer Veranstaltung am Deichcafè geladen und sprachen mit Zeitzeug*innen darüber, wie es sich direkt an der innerdeutschen Zonengrenze lebte und wie sich die friedliche Revolution auf Wahrenberg und die gesamte Altmark ausgewirkt hat.

„…Speed-Dating in Zeitgeschichte…“

(Cafè-Inhaberin Anne Zinke über das Format)

Anne Zinke, die das Flusscafé seit 11 Jahren führt, über das Konzept der Veranstaltung, die die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt initiiert hat: „Für mich als Zugezogene ist es bei der Arbeit im Flusscafé immer wieder spannend, Leute zu treffen – grade auch Leute, die hier aufgewachsen sind. Man kommt an den großen Tischen ganz natürlich miteinander ins Gespräch und oft sind es erstaunliche Erlebnisse, von denen erzählt wird. Als ich Kind war, gab es auch Zeitzeugen, die uns zu Pioniernachmittagen z.B. vom Krieg erzählten: da hat vorn einer geredet und wir Kinder hörten mehr oder weniger interessiert zu. Das war damals weit von der eigenen Erlebniswelt entfernt. Jetzt hier vor Ort zusammen an einem Tisch kurz vor dem ehemaligen Sperrgebiet zu sitzen und zu hören, wie es sich hier, so nah an der innerdeutschen Grenze gelebt hat und unmittelbar nachhaken zu können – das ist eine spannende Sache! Wer kommt, kann sich auf einen Pott Kaffee und hautnahes „Speeddating in Zeitgeschichte“ freuen – einfach hinsetzen, Fragen stellen, zuhören, weitergehen…“

Als Zeitzeug*innen gewannen wir die ehemalige Friseurin Elke Magdeburger, die ehemalige Lehrerin Siegrun Pilz, den gelernten Elektriker Ulrich Magdeburg, der später in der Materialwirtschaft einer LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) arbeitete und Werner Mohr, der als gelernter Schlosser zu DDR-Zeiten eine Abteilung der Zellstoffwerke leitete. Sie alle beantworteten und erzählten – bei Kaffee und Kuchen – über drei Stunden von ihren Erfahrungen und Erlebnissen.

„…erst im Nachhinein ist uns aufgegangen, wie mutig wir waren…“

(Zeitzeugin Elke Magdeburg über die Teilnahme an den Montagsdemonstrationen 1989 in Osterburg)

Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellungsrunde der Zeitzeug*innen durch Rebecca Plassa (Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt) begannen rund um die Tische sofort angeregte Gespräche zwischen den langjährigen Dorfbewohner*innen und den Gästen, die zum Teil aus den umliegenden Dörfern kamen oder als Tourist*innen auf dem Deich vorbeifuhren oder liefen und spontan in die Gesprächsrunden einstiegen. „Das ist so eine interessante Veranstaltung“ schwärmte eine Touristin aus Lübeck, die sich mit Elke Magdeburger intensiv über das Erlebnis des Mauerfalls austauschte und nachfragte, wie die Menschen vor Ort beispielsweise von den Montagsdemonstrationen erfahren hätten. „Hier kam alles etwas später an“, berichtet Elke Magdeburg und fügt hinzu „wir sind dann 1989 immer zu den Montagsdemonstrationen in Osterburg gefahren, erst im Nachhinein ist uns aufgegangen, wie mutig wir waren, es hätte ja sonst was passieren können.“

Aber auch die Grenznähe und die Frage von Fluchterleben prägten die Gespräche. Obwohl sehr grenznah, lag Wahrenberg noch nicht im sogenannten „Sperrgebiet“, das nur mit Ausweisen und Genehmigungen betreten werden durfte, Besuch musste 4 Wochen vorher angemeldet werden. „Aber auch hier im Ort wurde jede fremde Person misstrauisch betrachtet und an unseren ‚Sheriff‘ gemeldet“, erzählt Elke Magdeburg.

Menschen sitzen im Cafe auf dem Deich

„Es wäre schön, wenn es so etwas öfter gäbe…“

Norbert Krebber vom VITOS e.V. des Elbehofs organisierte für diese Veranstaltung  der Heinrich-Böll-Stiftung die Zeitzeug*innen und zieht für sich das folgende Fazit:

“Als Wessi  lebe ich jetzt 22 Jahre hier in Wahrenberg und versuchte die Menschen vor Ort zu verstehen und das schwierige Miteinander nachzuvollziehen. Durch all die Vorgespräche und das engagierte und emotionale Geschichtskaffee selber wurde mir klar, warum dieses Unterfangen so schwierig war und weiter kompliziert sein wird. Dennoch machte sich ein Gefühl der Befreiung breit, dass diese Geschichten eine Plattform bekamen und nicht in Vergessenheit geraten. Ich bin bewegt,  diesen  Dorfdialog weiter zu unterstützen und Wege dazu zu finden.“

„Es wäre schön, wenn es so etwas öfter gäbe“, war die abschließende Bemerkung vieler Dorfbewohner*innen aber auch Zugezogener. Vielleicht ist ja der Elbehof mit dem Umweltbildner Norbert Krebber, der diese Kooperation so engagiert begleitet hat, genau der richtige Ort dafür.